Contamination – Ausstellungsprojekt

Das Kunstprojekt CONTAMINATION will ein Signal für die Sichtbarkeit und Bedeutung der Kunst zugewanderter Personen für die Stadtgesellschaft Tübingens setzen. Denn Kunst kann Motor für Integrationsprozesse sein und spiegelt gleichzeitig die interkulturelle Realität unserer Stadtgesellschaft wider. Dieser Ansatz bildet die Grundlage für unser Projekt. Das Titelwort “Contamination” kommt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet “miteinander-in-Verbindung-bringen“. Im deutschen Wortgebrauch häufig negativ assoziiert im Sinne von “Verunreinigung”, wollen wir uns dem Begriff CONTAMINATION wieder in seiner eigentlichen Bedeutung annähern und ihm positive und bestärkende Eigenschaften zuschreiben. CONTAMINATION soll für uns besonders den Vorgang beschreiben, wenn sich zugewanderte und bereits ansässige Menschen begegnen, sich gegenseitig beeinflussen und so nachhaltig bereichern – ein positives “Miteinander-in-Verbindung-bringen“ von unterschiedlichen Menschen und Kulturen, in unserem Fall unter den Vorzeichen der Kunst.

Das Projekt wird gemeinsam mit migrantischen Künstler:innen mit Bezug zu Tübingen umgesetzt, die unterschiedliche Schwerpunkte in ihrer künstlerischen Arbeit aufweisen. Es haben sich drei Arbeitsgruppen gebildet, die sich aus verschiedenen Positionen heraus mit dem Thema CONTAMINATION auseinandersetzen und so Kunstprozesse anstoßen. Es entsteht also nicht nur eine interkulturelle CONTAMINATION, sondern auch eine gegenseitige Beeinflussung der Kunstformen und eine Weiterentwicklung der künstlerischen Ausdrucksweisen. Laura Conte und Annagreta König Dansokho, zwei Vertreterinnen migrantischer Künstler:innen, bilden gemeinsam mit Elisabeth Weiß, Mitglied des Tübinger Kollektivs KuneProjects, die Konzeptionsgruppe und übernehmen die künstlerische Leitung. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit und der daraus entstandenen Kontaminationsprozesse werden der Öffentlichkeit in einer entsprechenden Veranstaltung präsentiert und vom 5. September bis zum 28. September 2024 in der Kulturhalle der Stadt Tübingen gezeigt.

Margarethe Warth, Chandal Nasser und Laura Conte (Team 1) nähern sich dem Thema CONTAMINATION über eine Auseinandersetzung mit dem Stichwort ‚Kontrast‘ an. Die Schauspielerin Laura Conte findet Zugang über die darstellende Kunst, während sich Margarethe Warth, die sich primär mit textiler Kunst befasst, über die bildende Kunst an den Begriff annähert. Als verbindende Instanz soll die Schriftstellerin und Lyrikerin Chandal Nasser fungieren und so eine Brücke zwischen den drei Kunstformen bilden. Die Umsetzung dieses Projekts ist bewusst offen und als Work in Progress gestaltet, die Künstlerinnen wollen sich in Bearbeitung der ‚Kontraste‘ dialogisch beeinflussen, sich Impulse geben und schließlich Verbindungen – Kontaminationen – durch statische, zweidimensionale Arbeiten, theatralische Aktionen und lyrische, literarische Interpretationen hervorrufen. Der gesamte Prozess wurde  durch den Videografen und Fotografen Max Raulff festgehalten, dokumentiert und erweitert.

Auch Annagreta König Dansokho, Christina Liakopoyloy und Bachir Moustapha Mbaye (Team 2) wählten einen spannenden Zugang zu CONTAMINATION. In ihrem Projekt wenden sie sich der Stadtgesellschaft Tübingens zu, in deren Mitte zugewanderte Personen oftmals nicht in Erscheinung treten, insbesondere nicht als Kunstschaffende. Gerade jenseits der dritten Generation von Menschen mit “Migrationshintergrund” ist die Zuwanderungsgeschichte oft unsichtbar. Die Konzeptionskünstlerin Annagreta König Dansokho hat sich zum Ziel gesetzt, in unterschiedlichen Arbeitsfeldern nach diesen „versteckten Menschen“ und ihrer Geschichte zu suchen und sie sichtbar zu machen. Hierfür hat Bachir Mbaye spezielle Kleidung angefertigt. Durch diese wurde die Kontamination, die bereits stattgefunden hat und wirksam ist, auch nach außen hin sichtbar. Anschließend hat die Tänzerin und Choreographin Christina Liakopoyloy die Steuerung übernommen. So entsteht neue Kontamination. Fotograf Wolfgang Schmidt hat den Prozess mit der Kamera begleitet.

Die Modedesignerinnen Sarah Dunn und Seatile Neyrinck setzten sich gemeinsam mit dem Künstler Carlo Weiß (Team 3) unter dem Titel “Die Welt darf besser werden.” in einer sogenannten bewegenden Kunstinstallation mit dem Thema CONTAMINATION auseinander. Für sie bedeutet Kontamination auch: jede Handlung, jedes Wort hat eine eigene Dynamik und verändert die Welt. Sie gingen vom Menschlichen aus und haben einen Ort der wertfreien Begegnung entstehen lassen, an dem sich die Menschen frei entfalten können und Begegnungen auf Augenhöhe stattfinden. Die Installation besteht dabei aus mehreren Komponenten: Es wurde ein Raum im Raum geschaffen, der betreten und verlassen werden kann, wobei Textilien, helles durchscheinendes und bemaltes Flies, sowie die Kunstinstallationen die Grenzen des Raumes bilden. Dabei soll eine Klanglandschaft aus gesammelten Geräuschen und Musik den Raum und das Thema widerspiegeln. Ein langer Tisch mit Bänken lädt die Besucher:innen dazu ein, mit Kugelschreibern auf diesen Tisch zu kritzeln und zu malen. Die Umnutzung der glatten Tischoberfläche wird zum befreienden Akt für Gedanken und Inspiration, die Oberfläche wird durch die Aktivitäten der Besucher:innen kontaminiert. Hinzu kommt eine VER-Kleidungsecke mit eigens dafür entworfenen Stoffmustern, und eine weitere Kunstinstallation im Raum. Außerdem besteht die Möglichkeit, Tee oder Kaffee zu genießen, dieser wird mit einem speziellen V60-Filter zubereitet, ein Vorgang der Zeit braucht, die Konsument:innen entschleunigen soll und zum Verweilen anregt.

Projektteam:

Künstler:innen: Laura Conte, Sarah Dunn, Annagreta König Dansokho, Christina Liakopoulou, Bachir Moustapha Mbaye, Chandal Nasser, Seatile Neyrinck, Margarete Warth, Carlo Weiß
Konzeptionsgruppe: Laura Conte, Annagreta König Dansokho, Elisabeth Weiß
Projektleitung: Elisabeth Weiß, KuneProjects
Technikleitung: Benedict Bleidt, Bleidt Events
Dokumentation, Video- und Fotografie: Max Raulff
Fotografie Team 2: Wolfgang Schmidt
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Eileen Lempke, KuneArts